"Wer vom Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben" Christian Morgenstern
Plötzlich aber nicht unerwartet verstarb OPPA am 18.07.1997 in seinem Heimatort Dortmund an Herzversagen. Er war als bekanntes Faktotum ein vielgereistes Team- und Familienmitglied des "Vlieger-Team Dortmund" und ein Original der Drachenszene.
Sein langer Rauschebart und sein Fransenbewehrtes, rockermäßiges Outfit sprangen auf Drachenfestivals sofort ins Auge. Seine konsequente schwarze Lederkluft machte ihn zum Exoten in der von roten Nylonwesten und modischen, klimatisierten Mikrofaserjacken dominierten Menge der Drachenflieger. Ein Bürgerschreck auf den ersten Blick. Easy Rider oder Hellsangel mit ewiger Bierflasche?
Jeder der ihn noch nicht kannte beäugte ihn zuerst skeptisch. Über seine allgegenwärtige Präsenz konnte keiner hinwegsehen, wenn das "Vlieger-Team" auftauchte. Irgendwann fiel dann den Neulingen auf: OPPA kennt jeden und jeder kennt OPPA in der Drachenszene. Keiner hatte Berührungsängste. Und vor allem: OPPA war das Gegenteil von seinem harten, aggressiv scheinenden Äußeren. Ein sanfter, gutmütiger Typ mit einem Wesen, der wie ein "Promi" der Drachenwelt behandelt wurde und dem auch dann fürsorglich Respekt zuteil wurde, wenn er mehr als einen über den Durst getrunken hatte.
"Ich trinke lieber Bier als Tee". So erklärt er seine Beziehung zur allgegenwärtigen Bierflasche. Sein Alkoholproblem hat sicherlich zu seinem frühen Tod beigetragen. Weitere Risikofaktoren, wie die Selbstgedrehten, schwarzen Zigaretten, die vernachlässigte Ernährung, den Raubbau an der Gesundheit, kann kein menschlicher Körper auf Dauer verzeihen. OPPA war seiner Selbstzerstörung wohl bewusst. Er gab sich selber nur eine Lebenserwartung von vierzig Jahren. Er wurde 44 Jahre alt. So wie es heute immer mehr Menschen geht, war auch er vor vielen Jahren durch privaten und beruflichen Misserfolg in den Teufelskreis von Arbeitslosigkeit und finanziellen Verpflichtungen geraten und in das soziale Auffangnetz von Staat und Familie gefallen. Wenn der "Seelentröster" Alkohol die dermaßen Gestrandeten der Gesellschaft vereinnahmt, wird oft die Straße zur ausweglosen Endstation. Dann erhält das philosophieren über "der Weg ist das Ziel" einen verdammt bitteren Beigeschmack.
OPPA blieb einiges erspart. Er hatte eine eigene Wohnung und sozialen Kontakt und Rückhalt in seiner Familie, der er aber ein gehöriges Maß an Toleranz abverlangte, denn missionieren ließ er sich nicht. Seinem Selbstwertgefühl tat das "Bad in der Menge" während der Drachenfeste gut. Er profitierte davon, dass Drachen ohne soziale Unterschiede die Menschen verbindet.
OPPA war mehr als als sein Spitzname. Es war gleichsam ein Künstlername, eine zweite Persönlichkeit, hinter die er sich zurückgezogen hatte, wie hinter seine ihn vor der Außenwelt schützende Lederhaut. Er war konsequent bei der Verwendung seines Pseudonym das er gleichzeitig als Logo zelebrierte. Als während des Drachenfestivals in Dieppe/Frankreich seine Brille zur Reparatur zu einem Optiker musste, malte er fein säuberlich in Großbuchstaben den Namen auf den Einlieferungsbeleg und vergaß auch nicht das große A einzukreisen. Dies wurde in der Form akzeptiert und er bekam anstandslos seine Brille zurück.
Oppa reagierte durchaus mimosenhaft, wenn ohne seine Zustimmung über ihn verfügt wurde. So geschehen bei einem Drachencartoon, in dem er mit seiner fliegenden Bierkiste karikiert worden war. Er wollte vorher gefragt werden, damit kein schiefes Bild von ihm gezeichnet wurde. Er wusste, dass er auf einem schmalen Grat wandelte.
Unendlich viele Anekdoten, Schrullen und Begebenheiten gibt es über ihn, skurrile, tragische, lustige, unglaubliche mit und ohne Drachen. Wie den Werbespot des WDR Fernsehens, in dem OPPA auf dem Kölner Domplatz für "Recycling Zigaretten" aus weggeworfenen Kippen warb, vor der Hintergrundmusik: "Spiel mir das Lied vom Tod". Legendär war auch das Leistungsvermögen seiner Blase und Nieren, die es ihm erlaubten geschlagene zehn Minuten (verbürgt) durchgehend zu pinkeln, womit er schon mal einen Menschenauflauf auslöste. Da war da noch sein "Moped". Ein schweres Motorrad in seiner Küche, das er extra für Fanoe zugelassen hatte. Auf der Fahrt dorthin galt er zwei Tage lang als vermisst, weil er auf der Autobahn den Kontakt zum "Vlieger-Team" Konvoi verloren hatte. Für die Rückfahrt von der Insel nach Dortmund brauchte er in Easyrider Manier mehr als eine Woche.
Er wurde von Drachenleuten protektioniert und hofiert. Seine bekannte Leidenschaft für Bier verhalf ihm schon mal zu "paradiesischen" Zuständen. Freibier an allen Bierständen ein ganzes Drachenfestwochenende lang nur für ihn allein. "Wo ist OPPA?" "OPPA passt auf´s Bier auf!" wurde zum geflügelten Wort. Trotz aller schrägen Seiten war er keine Witzfigur. Er lebte zwar seine Rolle als "Underdog", galt aber als Respektsperson, die Erwachsene und besonders Kinder durch sein freundliches Wesen entwaffnete.
Er liebte die liberale Geisteshaltung in den Niederlanden, seitdem er dort einige Jahre gelebt hatte. Aus jener Zeit, als die "Provos" (vergleichbar mit der undogmatischen 68er Generation in Deutschland) aktiv waren, mag auch das große eingekreiste A in seinem Namen stammen (Anarchie [gr.]: Herrschaftslosigkeit), als Ablehnung von Konvention und Etablishment. Nicht A wie Arbeitsamt = arbeitslos. Seine Drachen wählte er mit dieser Intension aus, wobei er die Einleiner bevorzugte ("Weißte, bei de Zappel- (lenk) -drachen hasse keine Hand fürs Bier frei").
Seinen Teufeldrachen, der den Leuten die Zunge herausstreckte oder der rote OKD mit einem einzelnen schwarzen Stern auf der Segelfläche waren für ihn Drachen mit seiner persönlichen Aussage, so dezent sie auch zum Tragen kamen. Er wollte mit bescheidenen Mitteln provozieren, sein Ego "hochhalten". Von den Stürmen des Lebens niedergeworfen, hatte er den Wind für sich entdeckt. Wie die Fahne über einem untergehenden Schiff, hielt er seinen Stolz wie seine Drachen oben: "Seht her, ich lebe noch".
Die Drachen waren oft gesponsert von Drachenfreunden, denn zum Bauen fehlte ihm Geduld und die Fingerfertigkeit. Als wertvoller Teil der Bodenmanschaft machte ihm jedoch kein Großdrachen Angst. Die fliegende Bierkiste seines "kleinen" Bruders Christian hatte es ihm natürlich besonders angetan, war er selber doch die Anregung für das fliegende Teil gewesen. Während des Kitefliersmeeting auf Fanoe/Dänemark bummelte OPPA mit ihr den ganzen langen Strand bis Rindby hinab. Es war amüsant zu beobachten, wie der Drachen immer wieder ein paar hundert Meter weiter über die Horizontlinie wanderte. Dann über einer weiteren Waagenburg eine Weile parkte, während OPPA auf ein Ehrenbier eingeladen wurde und am Abend, nach einem kurzen Halt über dem Supermarket, endlich über dem Campingplatz zur Ruhe kam. Zusammen mit den vielen anderen Drachen, am abendlichen Fanoehimmel, war er Teil der Kulisse für eine von diesen unbeschreiblich "goilen", abgefahrenen, berauschenden Drachenmittsommernächten der Tako-Kichi.
OPPA wird nie wieder dabei sein. Nie wieder wird er die Drachen fliegen sehen, den Wind fühlen können. Wie auch andere lieb gewonnenen, inzwischen verstorbenen Drachenfreundinnen und Freunden, die den stofflichen Himmel verlassen haben, werden wir auch OPPA einen Platz in unserem Gedächnis bewahren.
Mag ein Mensch nach dem Tod begraben, eingeäschert oder anonym beigesetzt sein, erst wenn nichts und niemand sich an ihn erinnert, ist ein Leben wirklich vergangen. Dann ist ein Mensch spurlos verschwunden.
OPPA hat Spuren in der Erinnerung vieler Menschen hinterlassen. Er ist eine Legende bei in- und ausländischen Drachenfliegern. Seine Geschichte wird lange an vielen Feuern erzählt werden. Sein bürgerlicher Name war übrigens Uwe, und ich glaube, er hat über uns ebenso gelächelt wie wir über ihn. Er war der "Rough boy", der ungeschliffene Diamant, den ZZ Top besingt und der er sein wollte.
Udo Rudolph
Stand: 5. Juni 2023
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